Freitag, 15. Juni 2007
Der Onkel
Wohl jede Familie kennt ihn: den Onkel Fritz.
Er heißt möglicherweise gar nicht Fritz, sondern Herbert, Rudi oder Wolfgang.
Wenn es ganz dumm kommt, heißt er vielleicht sogar Karl-Heinz. Unser Onkel Fritz hieß Onkel Fritz. Er hatte nie geheiratet und das war offensichtlich: So sah niemand aus, der in seinem Leben auch nur eine ernsthafte Beziehung zu einer Frau gehabt hatte. Ein Verdacht, er könne mehr Interesse an Männern haben, kam nie auf. Bei Fritz stellten sich derartige Fragen ganz einfach nicht. Onkel Fritz war eben Onkel Fritz. Er war ein Vertreter der Klasse harmloser Sonderlinge, Eigenbrötler und geheimniskrämerischer Erfindertypen, die in manchen Romanen auftauchen. Er war marottig und gehemmt, eigentümlich in manchen Verhaltensweisen, aber stets absolut liebenswürdig. Onkel Fritzens intellektuelle Leidenschaft erschöpfte sich über viele Jahrzehnte in dem Bemühen um die Entwicklung eines die Welt der Luftfahrt revolutionierenden Fluggerätes, eines hölzernen und holzbetriebenen Hubschraubers. Den wollte er eigenhändig steuern und eines fernen Tages in unserem Garten landen. Zuweilen dachte er in Rodinpose über das Perpetuum mobile nach, löste Rätsel in seinen Zeitschriften, kaute selbst Joghurt vielmals und ermahnte auch meine Familie bei jeder Mahlzeit zum ausgiebigen Kauen des Essens.
Wenn er inspiriert war, kritzelte er wirre doktormabusige Konstruktionszeichnungen aufs Papier, die er später wieder verwarf.
In der Frühe trank er ein Gläschen Wodka gegen den Alterszucker, vermied jedoch ansonsten jegliche exzessive Lebensweise und rauchte auch nicht. Er misstraute Zahnärzten und der Politik und schüttelte den Kopf ob der Dinge, die im zwanzigsten Jahrhundert geschehen waren und noch geschahen.
Bei seinen Erfindungsbemühungen kam natürlich nie etwas Greifbares heraus, nicht einmal etwas Sichtbares, was aber niemand ernsthaft erwartet hatte. War er wirklich überzeugt davon, erfolgreich sein zu können oder zog er nur für mich kleinen Jungen seine Düsentrieb-Schau ab? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Funktioniert hat die Nummer jedenfalls. Wir erinnern uns heute bei jedem Familientreffen dankbar an ihn, weil er (was wir damals nicht wussten und nie hätten würdigen können) der unbestritten größte Exzentriker der ansonsten wenig unterhaltsamen Verwandtschaft war. Wir haben ihn sehr gemocht, den Onkel.
Er heißt möglicherweise gar nicht Fritz, sondern Herbert, Rudi oder Wolfgang.
Wenn es ganz dumm kommt, heißt er vielleicht sogar Karl-Heinz. Unser Onkel Fritz hieß Onkel Fritz. Er hatte nie geheiratet und das war offensichtlich: So sah niemand aus, der in seinem Leben auch nur eine ernsthafte Beziehung zu einer Frau gehabt hatte. Ein Verdacht, er könne mehr Interesse an Männern haben, kam nie auf. Bei Fritz stellten sich derartige Fragen ganz einfach nicht. Onkel Fritz war eben Onkel Fritz. Er war ein Vertreter der Klasse harmloser Sonderlinge, Eigenbrötler und geheimniskrämerischer Erfindertypen, die in manchen Romanen auftauchen. Er war marottig und gehemmt, eigentümlich in manchen Verhaltensweisen, aber stets absolut liebenswürdig. Onkel Fritzens intellektuelle Leidenschaft erschöpfte sich über viele Jahrzehnte in dem Bemühen um die Entwicklung eines die Welt der Luftfahrt revolutionierenden Fluggerätes, eines hölzernen und holzbetriebenen Hubschraubers. Den wollte er eigenhändig steuern und eines fernen Tages in unserem Garten landen. Zuweilen dachte er in Rodinpose über das Perpetuum mobile nach, löste Rätsel in seinen Zeitschriften, kaute selbst Joghurt vielmals und ermahnte auch meine Familie bei jeder Mahlzeit zum ausgiebigen Kauen des Essens.
Wenn er inspiriert war, kritzelte er wirre doktormabusige Konstruktionszeichnungen aufs Papier, die er später wieder verwarf.
In der Frühe trank er ein Gläschen Wodka gegen den Alterszucker, vermied jedoch ansonsten jegliche exzessive Lebensweise und rauchte auch nicht. Er misstraute Zahnärzten und der Politik und schüttelte den Kopf ob der Dinge, die im zwanzigsten Jahrhundert geschehen waren und noch geschahen.
Bei seinen Erfindungsbemühungen kam natürlich nie etwas Greifbares heraus, nicht einmal etwas Sichtbares, was aber niemand ernsthaft erwartet hatte. War er wirklich überzeugt davon, erfolgreich sein zu können oder zog er nur für mich kleinen Jungen seine Düsentrieb-Schau ab? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Funktioniert hat die Nummer jedenfalls. Wir erinnern uns heute bei jedem Familientreffen dankbar an ihn, weil er (was wir damals nicht wussten und nie hätten würdigen können) der unbestritten größte Exzentriker der ansonsten wenig unterhaltsamen Verwandtschaft war. Wir haben ihn sehr gemocht, den Onkel.
Waldorff, 10:59h
novesia,
Freitag, 15. Juni 2007, 11:51
Ah, doch Familienhistörchen. - Bei uns gab´s keinen Onkel Fritz. Kein einziger Exzentriker im ganzen Umfeld. Und das obwohl mein Opa Berufsmusiker war. Immerhin sehr dreckige Witze hatte der auf Lager. Sonst alles langweilig. *grummel*
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Waldorff,
Freitag, 15. Juni 2007, 11:57
Dreckige Witze sind wichtig für die Entwicklung des Kindes!
Sei froh. Bei uns gab es das nicht.
Sei froh. Bei uns gab es das nicht.
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novesia,
Freitag, 15. Juni 2007, 15:55
Meine Oma hat ihm dann immer eine gelangt. :-D (stimmt, ich bin froh)
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