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Donnerstag, 24. November 2005
Hypnotisch
Biographien - eigentlich lese ich sie nicht mehr. Die konstruierte Zwangsläufigkeit eines Lebens, angefangen mit der Geschichte der Großeltern, den Kinderkrankheiten und der ersten Liebe - wen interessiert's?
Muss das sein? Erinnerungen der Zeitgenossen, wieder aufgetauchte Briefe, sensationelle Fundstücke aus den Archiven und nie zuvor gezeigtes Bildmaterial aus Privatbesitz.
Ist es der Wunsch nach Erbauung und Bestätigung im banalen Alltag oder schierer Voyeurismus, der bildungsbeflissene Bürger in die eigens gekennzeichneten Regalabschnitte greifen lässt? Warum habe ich früher so gerne Biographien gelesen?
Keine Ahnung. Eher zufällig ist mir vor einigen Tagen die Biographie "Frau Thomas Mann" des Ehepaars Jens in die Hände gefallen. Und beim Blättern fand ich eine Stelle, bei der ich doch grinsen musste. Das jungvermählte und - wie man dem Buch entnehmen kann - sexuell durchaus unerfahrene Paar verbrachte seine Flitterwochen in Zürich. Die "androgyne" Haltung Thomas Manns dürfte das Projekt "Zeugung des ersten Kindes" nicht vereinfacht haben. Sowohl Thomas als auch Katia Mann haben sich deshalb während eines nicht geringen Teils ihres zweiwöchigen Schweiz-Aufenthaltes bei diversen Ärzten und anderen "Spezialisten" herumgedrückt.
Nicht gerade das normale Programm einer klassischen Hochzeitsreise. Genüsslich, so scheint es zumindest, vermerkt das Ehepaar Jens "penible philologische Forschungen" hätten in Thomas Manns Notizbuch die Namen von Ärzten identifiziert, die "[...] auch in diskreten Regionen Bescheid wußten."
Und:
"Vielleicht hatte eine Zürcher Gynäkologin die junge Frau verständig beraten, so, wie es im Fall des Partners zwei Nervenärzte oder der Hypnotiseur Dr. med. Ringier getan haben mögen."
Neun Monate später wurde das Kind übrigens geboren.
Hypnotiseur - ich fand's lustig.
Muss das sein? Erinnerungen der Zeitgenossen, wieder aufgetauchte Briefe, sensationelle Fundstücke aus den Archiven und nie zuvor gezeigtes Bildmaterial aus Privatbesitz.
Ist es der Wunsch nach Erbauung und Bestätigung im banalen Alltag oder schierer Voyeurismus, der bildungsbeflissene Bürger in die eigens gekennzeichneten Regalabschnitte greifen lässt? Warum habe ich früher so gerne Biographien gelesen?
Keine Ahnung. Eher zufällig ist mir vor einigen Tagen die Biographie "Frau Thomas Mann" des Ehepaars Jens in die Hände gefallen. Und beim Blättern fand ich eine Stelle, bei der ich doch grinsen musste. Das jungvermählte und - wie man dem Buch entnehmen kann - sexuell durchaus unerfahrene Paar verbrachte seine Flitterwochen in Zürich. Die "androgyne" Haltung Thomas Manns dürfte das Projekt "Zeugung des ersten Kindes" nicht vereinfacht haben. Sowohl Thomas als auch Katia Mann haben sich deshalb während eines nicht geringen Teils ihres zweiwöchigen Schweiz-Aufenthaltes bei diversen Ärzten und anderen "Spezialisten" herumgedrückt.
Nicht gerade das normale Programm einer klassischen Hochzeitsreise. Genüsslich, so scheint es zumindest, vermerkt das Ehepaar Jens "penible philologische Forschungen" hätten in Thomas Manns Notizbuch die Namen von Ärzten identifiziert, die "[...] auch in diskreten Regionen Bescheid wußten."
Und:
"Vielleicht hatte eine Zürcher Gynäkologin die junge Frau verständig beraten, so, wie es im Fall des Partners zwei Nervenärzte oder der Hypnotiseur Dr. med. Ringier getan haben mögen."
Neun Monate später wurde das Kind übrigens geboren.
Hypnotiseur - ich fand's lustig.
Waldorff, 14:07h
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Freitag, 11. November 2005
Sitzen bleiben, Alter!
Ich sitze in der U-Bahn. Es ist Sonntag. Schräg gegenüber sehe ich ein älteres Ehepaar. Agile Wandersleute, mitte sechzig, mit den obligatorischen karierten Hemden, modernen Wanderdoppelstöcken, Trekkingschuhen und schweren Rucksäcken. Gut ausgerüstet. Der Mann hat welliges graues Haar, seine Frau eine Dauerwelle und eine Brille. Offenbar sind die beiden auf dem Weg zum Bahnhof, um mit einem Regionalzug in die wunderschöne Umgebung meiner beschaulichen Heimatstadt zu fahren. Eine Station vor dem Bahnhof springt der Mann auf wie ein geölter Blitz. Bevor er sich jedoch um die Sitzbank drehen kann, schließt sich eine Hand wie ein Schraubstock um seinen Arm. "Sitzen bleiben, Alter!", ruft seine Frau. Sehr bestimmt und bestimmend. Sie zieht ihn zurück. Er setzt sich wieder. Rot im Gesicht ist er geworden und blickt starr geradeaus. Seine Hände umklammern angespannt seine Knie. Was nun kommt, kennt er wohl schon. Er weiß, was er zu erwarten hat. Sagt keinen Ton. Es folgen Fragen, Vorwürfe, Belehrungen. Er reagiert nicht, läßt alles über sich ergehen. Ich nicke ihm komplizenhaft zu. Dann steige ich auch aus.
Waldorff, 20:24h
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Mittwoch, 2. November 2005
Christen
Ich finde Christen bedrohlich.
Diese Aussage ist furchtbar pauschal und undifferenziert.
Eine Frechheit obendrein.
Weiß ich doch. Ungerecht bin ich mit denjenigen, die sich jenseits des schnöden Alltags mit den Dingen beschäftigen, die sonst unbeachtet blieben. Den letzten Fragen. Einer gerechteren Verteilung des Wohlstands. Der Einbeziehung von Randgruppen. Der spirituellen Erneuerung des Abendlandes. Genau.
Ich bleibe trotzdem dabei. Ich kann das alles nicht leiden.
Es gibt da diese Strickpullover und mit Streifensocken getragene Sandalen, die bei mir akutes Unwohlsein auslösen. Manchmal nehme ich auf der Straße bunte Tücher, matte Farben, dumpfe Gerüche und geklampfte Gesänge, triste Topffrisuren und debile Dauerwellen wahr, die mich ängstigen. Mich erschrecken die wogenden Massen junger und "junggebliebener" kräuterteetrinkender Gläubiger auf Kirchentagen beider Konfessionen.
Ich denke dann an Religionslehrer mit klümpchenhafter Speichelbildung in den Mundwinkeln und feuchter Aussprache.
Da halte ich die andere Wange bestimmt nicht mehr hin.
Diese Aussage ist furchtbar pauschal und undifferenziert.
Eine Frechheit obendrein.
Weiß ich doch. Ungerecht bin ich mit denjenigen, die sich jenseits des schnöden Alltags mit den Dingen beschäftigen, die sonst unbeachtet blieben. Den letzten Fragen. Einer gerechteren Verteilung des Wohlstands. Der Einbeziehung von Randgruppen. Der spirituellen Erneuerung des Abendlandes. Genau.
Ich bleibe trotzdem dabei. Ich kann das alles nicht leiden.
Es gibt da diese Strickpullover und mit Streifensocken getragene Sandalen, die bei mir akutes Unwohlsein auslösen. Manchmal nehme ich auf der Straße bunte Tücher, matte Farben, dumpfe Gerüche und geklampfte Gesänge, triste Topffrisuren und debile Dauerwellen wahr, die mich ängstigen. Mich erschrecken die wogenden Massen junger und "junggebliebener" kräuterteetrinkender Gläubiger auf Kirchentagen beider Konfessionen.
Ich denke dann an Religionslehrer mit klümpchenhafter Speichelbildung in den Mundwinkeln und feuchter Aussprache.
Da halte ich die andere Wange bestimmt nicht mehr hin.
Waldorff, 15:18h
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