Montag, 13. Februar 2006
Automat
Ein achtjähriger Lautsprecher mit Mütze marschiert aus einem U-Bahn-Waggon zielstrebig auf den Automaten mit Süssigkeiten zu. "Ich muss noch den Automaten treten!", verkündet er seiner aus drei Gleichaltrigen bestehenden Entourage. Er postiert sich vor dem Automaten, legt den Kopf schief und drückt einige Tasten.
Dann fängt er unvermittelt an zu brüllen und das Gerät mit Tritten zu traktieren. Das geht so, bis die nächste U-Bahn einfährt, in der die Grundschul-Vandalen verschwinden.
Während des Vorfalls machen die umstehenden Erwachsenen ein ratloses Gesicht. Manche tun so, als hätten sie nichts bemerkt.
Ich auch.
Aber ich frage mich:
Fallen mir solche Dinge stärker auf, weil meine Freundin einen neunjährigen Sohn hat?
Sind die Kinder heute anders als vor ein paar Jahren?
Oder bin ich auf dem besten Weg, ein alter Sack zu werden?
Dann fängt er unvermittelt an zu brüllen und das Gerät mit Tritten zu traktieren. Das geht so, bis die nächste U-Bahn einfährt, in der die Grundschul-Vandalen verschwinden.
Während des Vorfalls machen die umstehenden Erwachsenen ein ratloses Gesicht. Manche tun so, als hätten sie nichts bemerkt.
Ich auch.
Aber ich frage mich:
Fallen mir solche Dinge stärker auf, weil meine Freundin einen neunjährigen Sohn hat?
Sind die Kinder heute anders als vor ein paar Jahren?
Oder bin ich auf dem besten Weg, ein alter Sack zu werden?
Waldorff, 18:45h
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Mittwoch, 8. Februar 2006
Muskelzittern
Wir sind abends in einer südwestdeutschen Metropole eingetroffen. Es ist kalt. Auf unserem ersten Ausflug spricht uns eine vermummte Frau mit russischem Akzent an und fragt, ob wir an einem völlig unverbindlichen Stresstest teilnehmen wollen.
Na klar. Sonst noch was. Der wunderbar spontane Scherz meines Freundes "Ist das schon einer?", bleibt - "Häh? Habt Ihr Angst vor Frauen?" - ungewürdigt. Wir lassen die nun leicht aggressiv wirkende Dame stehen und gehen lieber essen. Zu hungrig, um uns mit Scientologen herumzustreiten. Die Suche nach einer kleinen Mahlzeit erweist sich allerdings als schwierig. Denn auch die allerkleinsten Mahlzeiten sind in dieser schönen Stadt nicht unter 15 € zu bekommen. Dass wir auch in dem protzig aufgemachten Restaurant mit der lodernden Feuerschale über der Tür nicht essen werden, ist schon klar, als wir den gepanzerten Rolls vor dem Eingang sehen. Nun gut. Überall Beton und Glas mit den Emblemen von Banken, Versicherungen und Werbeagenturen. Nach neun Uhr am Abend sieht man keine Fußgänger mehr auf den Bürgersteigen. Nur uns. Und wir wollen jetzt was essen. In einer Auslage erblicken wir entsetzt Plastikeimer mit proteinreicher Nahrung für Bodybuilder.
Dahinter lehnt eine Fotografie, auf der uns ein Gesicht inmitten eines Muskelgebirges angrinst wie Popeye auf Speed.
Wir resignieren und gehen in die nächstbeste griechische Kaschemme.
Wir klappen den Flyer auf, den uns die russische Scientologin zugesteckt hat und finden 200 Fragen, unter anderem:
18 Beginnen einige Ihrer Muskeln zu zucken, wenn etwas Unerwartetes geschieht?
142 Fühlen Sie sich in einer unordentlichen Umgebung sehr unbehaglich?
163 Würden Sie das Notwendige tun, ein Tier zu töten, um ihm Schmerz zu ersparen?
170 Sind sie gegen den "Strafvollzug auf Bewährung" für Kriminelle?
Meine Güte.
Na klar. Sonst noch was. Der wunderbar spontane Scherz meines Freundes "Ist das schon einer?", bleibt - "Häh? Habt Ihr Angst vor Frauen?" - ungewürdigt. Wir lassen die nun leicht aggressiv wirkende Dame stehen und gehen lieber essen. Zu hungrig, um uns mit Scientologen herumzustreiten. Die Suche nach einer kleinen Mahlzeit erweist sich allerdings als schwierig. Denn auch die allerkleinsten Mahlzeiten sind in dieser schönen Stadt nicht unter 15 € zu bekommen. Dass wir auch in dem protzig aufgemachten Restaurant mit der lodernden Feuerschale über der Tür nicht essen werden, ist schon klar, als wir den gepanzerten Rolls vor dem Eingang sehen. Nun gut. Überall Beton und Glas mit den Emblemen von Banken, Versicherungen und Werbeagenturen. Nach neun Uhr am Abend sieht man keine Fußgänger mehr auf den Bürgersteigen. Nur uns. Und wir wollen jetzt was essen. In einer Auslage erblicken wir entsetzt Plastikeimer mit proteinreicher Nahrung für Bodybuilder.
Dahinter lehnt eine Fotografie, auf der uns ein Gesicht inmitten eines Muskelgebirges angrinst wie Popeye auf Speed.
Wir resignieren und gehen in die nächstbeste griechische Kaschemme.
Wir klappen den Flyer auf, den uns die russische Scientologin zugesteckt hat und finden 200 Fragen, unter anderem:
18 Beginnen einige Ihrer Muskeln zu zucken, wenn etwas Unerwartetes geschieht?
142 Fühlen Sie sich in einer unordentlichen Umgebung sehr unbehaglich?
163 Würden Sie das Notwendige tun, ein Tier zu töten, um ihm Schmerz zu ersparen?
170 Sind sie gegen den "Strafvollzug auf Bewährung" für Kriminelle?
Meine Güte.
Waldorff, 11:13h
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Donnerstag, 26. Januar 2006
Sukkulente
Ich möchte an dieser Stelle etwas gestehen:
Pflanzen haben es in meiner Wohung schwer. Der Ficus, der neue Bonsai-Ficus (dieser Kauf erwies sich als besonders sinnlos) und mein Drachenbaum (Dracaena haumichblau) sind vermutlich bereits klinisch tot, obwohl ich mich peinlich genau an die Pflegeanweisungen gehalten habe.
Zu häufig gegossen? Bestimmt nicht. Zu wenig? Auch nicht. Zu kalt? Schon eher möglich, aber bei dem Bonsai-Ficus hieß es ausdrücklich "kühl überwintern lassen".
Meine Wohnung ist kalt. Da brauche ich mir keine Vorwürfe zu machen. Wie jetzt? Diesem Grünzeug kann ich es einfach nicht recht machen. Bereits im letzten Jahr war eine Orchidee spektakulär schnell eingegangen. Aber ich gebe nicht so leicht auf.
Gerade komme ich aus einem bekannten schwedischen Möbelhaus, in das viele Frauen zum frühstücken fahren, überflüssige Dinge kaufen und sie eine Woche später nach dem Frühstück wieder zurückgeben. Scheint Spaß zu machen. Dort habe ich mir eine Sukkulente mitgenommen.
In der Pflegeanweisung heißt es:
"Wenig Wasser. Erde sollte Möglichkeit zum Durchtrocknen haben. Pflegeleicht."
Kannst Du haben, Baby. Sieht nach wenig Arbeit aus.
"Nur zur Dekoration - nicht zum Verzehr". Gut zu wissen.
Pflanzen haben es in meiner Wohung schwer. Der Ficus, der neue Bonsai-Ficus (dieser Kauf erwies sich als besonders sinnlos) und mein Drachenbaum (Dracaena haumichblau) sind vermutlich bereits klinisch tot, obwohl ich mich peinlich genau an die Pflegeanweisungen gehalten habe.
Zu häufig gegossen? Bestimmt nicht. Zu wenig? Auch nicht. Zu kalt? Schon eher möglich, aber bei dem Bonsai-Ficus hieß es ausdrücklich "kühl überwintern lassen".
Meine Wohnung ist kalt. Da brauche ich mir keine Vorwürfe zu machen. Wie jetzt? Diesem Grünzeug kann ich es einfach nicht recht machen. Bereits im letzten Jahr war eine Orchidee spektakulär schnell eingegangen. Aber ich gebe nicht so leicht auf.
Gerade komme ich aus einem bekannten schwedischen Möbelhaus, in das viele Frauen zum frühstücken fahren, überflüssige Dinge kaufen und sie eine Woche später nach dem Frühstück wieder zurückgeben. Scheint Spaß zu machen. Dort habe ich mir eine Sukkulente mitgenommen.
In der Pflegeanweisung heißt es:
"Wenig Wasser. Erde sollte Möglichkeit zum Durchtrocknen haben. Pflegeleicht."
Kannst Du haben, Baby. Sieht nach wenig Arbeit aus.
"Nur zur Dekoration - nicht zum Verzehr". Gut zu wissen.
Waldorff, 13:18h
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Mittwoch, 25. Januar 2006
Lammgulasch mit Backpflaumen und Cashewkernen
Zutaten für 6 Portionen
Lammgulasch in einen Plastikbeutel mit Harissa, Kurkuma, Ingwer und Olivenöl geben, gedankenverloren den Beutel drücken und dann 2-3 Stunden im Kühlschrank marinieren lassen.
Zubereitung:
- 3 mittelgroße Schalotten
- 1 Bund Koriander
- 1 kg Lammgulasch
- 1 TL Kurkuma
- 1 TL Harissa
- 1-2 TL gemahlener Ingwer
- 3 EL Olivenöl
- eine Prise Salz
- 1 Viertelliter Gemüsebrühe
- 6 Safranfäden
- 100 g Cashewkerne
- 200 g Backpflaumen
- 1 TL gemahlener Zimt
- 1-2 EL Honig
- frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Lammgulasch in einen Plastikbeutel mit Harissa, Kurkuma, Ingwer und Olivenöl geben, gedankenverloren den Beutel drücken und dann 2-3 Stunden im Kühlschrank marinieren lassen.
Zubereitung:
- Die Schalotten abziehen und sehr fein hacken.
- Das Lammgulasch in 2 EL Olivenöl andünsten. Eine Prise Salz hinzugeben.
Nun die Schalotten, Brühe, die Safranfäden und den Koriander dazu.
Deckel auf den Topf.
Hitze runter.
1 Stunde schmurgeln lassen.. - Cashewkerne in einer Pfanne in ein wenig Olivenöl anrösten. Nicht weglaufen! Sonst brennen die Dinger an.
- Die Backpflaumen mit dem Zimt, dem Honig und etwas Pfeffer vermengen. Rein damit in den Fleischtopf.
Eine weitere halbe Stunde bei kleiner Hitze auf dem Herd lassen.
Inzwischen Rotwein trinken und in Stimmung kommen. - Jetzt die Cashewkerne in den Topf schütten. Noch ein wenig warten (Ihr wisst schon - kleine Hitze).
Waldorff, 00:00h
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Montag, 23. Januar 2006
Ich geb mir die Kugel
Es ist den Spielern verboten, Kugeln oder Zielkugeln im Verlauf des Spieles zu wechseln, außer in folgenden Fällen:
a) Diese sind unauffindbar, wobei die Zeit zum Suchen auf fünf Minuten limitiert ist.
b) Wenn sie zerbrechen, zählt nur das größte Bruchstück.
Sind noch Kugeln zu spielen, so wird das größte Bruchstück sofort, nach eventuell erforderlicher Messung, durch eine Kugel / Zielkugel mit gleichem oder ähnlichem Durchmesser ersetzt. Bei der nächsten Aufnahme darf der betroffene Spieler den kompletten Kugelsatz austauschen.
Auszug aus: "Pétanque-Regeln des DPV gemäß der F.I.P.J.P"
Im Frühling geht es wieder los mit meinem Lieblings-Altherrensport.
Ich freu mich drauf!
a) Diese sind unauffindbar, wobei die Zeit zum Suchen auf fünf Minuten limitiert ist.
b) Wenn sie zerbrechen, zählt nur das größte Bruchstück.
Sind noch Kugeln zu spielen, so wird das größte Bruchstück sofort, nach eventuell erforderlicher Messung, durch eine Kugel / Zielkugel mit gleichem oder ähnlichem Durchmesser ersetzt. Bei der nächsten Aufnahme darf der betroffene Spieler den kompletten Kugelsatz austauschen.
Auszug aus: "Pétanque-Regeln des DPV gemäß der F.I.P.J.P"
Im Frühling geht es wieder los mit meinem Lieblings-Altherrensport.
Ich freu mich drauf!
Waldorff, 20:01h
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Fleischsalat
In der U-Bahn wurde ich unfreiwillig Zeuge eines Gesprächs unter jungen Fleischfachverkäuferinnen.
Verkäuferin 1: "Du kannst ja dort was essen."
Verkäuferin 2: "Glaubst Du, ich ess' den Fleischsalat von uns? Spinnst Du? Ich weiß, was da alles reinkommt!
Aber frag mich nicht - das willst Du nicht wissen!"
Hm. Beruhigend.
Verkäuferin 1: "Du kannst ja dort was essen."
Verkäuferin 2: "Glaubst Du, ich ess' den Fleischsalat von uns? Spinnst Du? Ich weiß, was da alles reinkommt!
Aber frag mich nicht - das willst Du nicht wissen!"
Hm. Beruhigend.
Waldorff, 18:25h
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Fernsehen
Was ich nicht mehr sehen will:
- acrylpullovertragende Kirchendissidenten mit sanfter Stimme
- Islam-Experten, die sich auch mit Afrika und Indochina auskennen und Doppelnamen tragen
- Quizsendungen, bei denen man ganz viel Geld gewinnen kann
- Launige Polit-Infotainmentsendungen, die Sonntags nach dem Tatort laufen und bei denen Schmierenkomödianten Einsdreissig-Sprechblasen vor einem Publikum abgefeimter Claqueure zum besten geben
Waldorff, 00:09h
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Donnerstag, 19. Januar 2006
Kinder und andere Katastrophen
Das war kein guter Tag gestern.
Dabei war doch alles so nett ausgedacht.
Meine Freundin kam auf die Idee, mal wieder einen Schulfreund ihres Sohnes nach Hause einzuladen. Während sie die beiden von der Schule abholte, wollte ich etwas kochen, das Kinder gerne essen. Nach der gemeinsam eingenommenen Mahlzeit hätten die zwei friedlich ihre Hausaufgaben erledigt, anschließend mit mir noch zwei Stunden mit dem neuen Baukausten gespielt und pädagogisch wertvolle und das technische Interesse weckende Modelle erstellt. Riesenrad mit Motorisierung oder so. Eine feine Sache.
Es lief dann etwas anders ab.
Ich kam nicht rechtzeitig mit den Lebensmitteln an. Das Essen konnte erst zwanzig Minuten später serviert werden.
Nicht schlimm, dachte ich. Wie naiv. Denn Kinder können nicht einfach zwanzig Minuten warten, wenn sie "HUNGER" plärren und Hunger haben. Ehrlich - das war mir nicht klar. Die Wartezeit verbrachten die zwei Burschen sehr kreativ damit, den Inhalt einer Ketchup-Flasche auf Sofa und Teppich zu verteilen. Sie fanden das lustig. Meine Freundin nicht. Die Hausaufgaben - "Ich weiß nicht, was wir aufhaben!" - waren auch keine reine Freude. Schließlich gelang es uns, die Aufgabenstellung des Pädagogen - "Sucht Euch einen Satz aus dem Buch aus, schreibt ihn ab und unterstreicht Tunwörter, Eigenschaftswörter und Begleiter in unterschiedlichen Farben" - zu rekonstruieren.
Dabei habe ich wieder etwas gelernt.
Erstens, was "Begleiter" sind.
Zweitens, dass man mit einem Satz von zehn Wörtern durchaus eine Seite vollschreiben kann.
Drittens, dass Füller grundsätzlich klecksen. Die Hände waren blau, das selbstverständlich sehr holzhaltige Papier saugte sich voll, der Tisch war blau. Ich hielt innerlich fluchend den Lappen bereit und dachte mir muntere Foltermethoden für die Vertreter eines gewissen Schulkonzepts aus. Beim Spielen reichte die Konzentration der Buben dann für eine halbe Stunde. Danach fanden es die beiden amüsanter, Baustoffprüfungen an unseren Bausteinen vorzunehmen oder witzige Kamikaze-Stunts aus der Hängematte durchzuführen. Von nebenan hörte ich Kratzgeräusche und verhaltenes Fluchen, als meine Freundin versuchte, ihr Wohnzimmer von Ketchupresten zu befreien.
Kind 1: "Wann kann ich den Motor?"
Waldorff: "Wie heißt das?"
Kind 1: "Wann kann ich den Motor anschließen?"
Waldorff: "Wenn wir das Ding fertiggebaut haben!"
Kind 2: "Wann bist Du denn fertig?"
Waldorff: "Äh - wann sind 'wir' fertig! Wir machen das doch gemeinsam, oder?"
Kind 1: "Mir ist scheißlangweilig!"
- KNIRSCH -
- KRAWUMM -
Waldorff: "F..ähem. Vom Draufhauen wird es nicht schneller fertig. Könntest Du - bitte - damit aufhören?"
Kind 1: "Du wolltest 'Fuck' sagen, stimmt's?"
Und so weiter.
Ich weiß nicht, wie Eltern das durchhalten, ohne Alkoholiker zu werden.
Dabei war doch alles so nett ausgedacht.
Meine Freundin kam auf die Idee, mal wieder einen Schulfreund ihres Sohnes nach Hause einzuladen. Während sie die beiden von der Schule abholte, wollte ich etwas kochen, das Kinder gerne essen. Nach der gemeinsam eingenommenen Mahlzeit hätten die zwei friedlich ihre Hausaufgaben erledigt, anschließend mit mir noch zwei Stunden mit dem neuen Baukausten gespielt und pädagogisch wertvolle und das technische Interesse weckende Modelle erstellt. Riesenrad mit Motorisierung oder so. Eine feine Sache.
Es lief dann etwas anders ab.
Ich kam nicht rechtzeitig mit den Lebensmitteln an. Das Essen konnte erst zwanzig Minuten später serviert werden.
Nicht schlimm, dachte ich. Wie naiv. Denn Kinder können nicht einfach zwanzig Minuten warten, wenn sie "HUNGER" plärren und Hunger haben. Ehrlich - das war mir nicht klar. Die Wartezeit verbrachten die zwei Burschen sehr kreativ damit, den Inhalt einer Ketchup-Flasche auf Sofa und Teppich zu verteilen. Sie fanden das lustig. Meine Freundin nicht. Die Hausaufgaben - "Ich weiß nicht, was wir aufhaben!" - waren auch keine reine Freude. Schließlich gelang es uns, die Aufgabenstellung des Pädagogen - "Sucht Euch einen Satz aus dem Buch aus, schreibt ihn ab und unterstreicht Tunwörter, Eigenschaftswörter und Begleiter in unterschiedlichen Farben" - zu rekonstruieren.
Dabei habe ich wieder etwas gelernt.
Erstens, was "Begleiter" sind.
Zweitens, dass man mit einem Satz von zehn Wörtern durchaus eine Seite vollschreiben kann.
Drittens, dass Füller grundsätzlich klecksen. Die Hände waren blau, das selbstverständlich sehr holzhaltige Papier saugte sich voll, der Tisch war blau. Ich hielt innerlich fluchend den Lappen bereit und dachte mir muntere Foltermethoden für die Vertreter eines gewissen Schulkonzepts aus. Beim Spielen reichte die Konzentration der Buben dann für eine halbe Stunde. Danach fanden es die beiden amüsanter, Baustoffprüfungen an unseren Bausteinen vorzunehmen oder witzige Kamikaze-Stunts aus der Hängematte durchzuführen. Von nebenan hörte ich Kratzgeräusche und verhaltenes Fluchen, als meine Freundin versuchte, ihr Wohnzimmer von Ketchupresten zu befreien.
Kind 1: "Wann kann ich den Motor?"
Waldorff: "Wie heißt das?"
Kind 1: "Wann kann ich den Motor anschließen?"
Waldorff: "Wenn wir das Ding fertiggebaut haben!"
Kind 2: "Wann bist Du denn fertig?"
Waldorff: "Äh - wann sind 'wir' fertig! Wir machen das doch gemeinsam, oder?"
Kind 1: "Mir ist scheißlangweilig!"
- KNIRSCH -
- KRAWUMM -
Waldorff: "F..ähem. Vom Draufhauen wird es nicht schneller fertig. Könntest Du - bitte - damit aufhören?"
Kind 1: "Du wolltest 'Fuck' sagen, stimmt's?"
Und so weiter.
Ich weiß nicht, wie Eltern das durchhalten, ohne Alkoholiker zu werden.
Waldorff, 18:21h
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Freitag, 30. Dezember 2005
Da bin ich ja mal gespannt
Welche Wortschöpfung wird "Unwort des Jahres 2005"?
Die nehmen noch Kandidaten...
Die nehmen noch Kandidaten...
Waldorff, 22:57h
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Samstag, 3. Dezember 2005
Ein Vormittag. Und die Wände sind dünn.
Nervöses Fummeln am Sicherheitstürschloss. Keifende Stimmen im Treppenhaus. Keuchen. Klingeln. Schreien. Scharren. Schimpfen. Tür auf. Tür zu. Wieder fummeln. Zwei Schlösser. Die Nachbarin geht zu den Briefkästen. Ein Stockwerk. Stöhnen. Die Treppe wieder rauf. Keuchen. Schlurfen. Fummeln. Zwei Schlösser. Stöhnen. Garderobengezirpe hinter mir. Keuchen. Die Wände sind dünn. Husten.
20 Minuten für die ganze Aktion. Schlossgefummel zweites Schloss. Unter mir sind inzwischen die beiden Psychopathen aufgewacht und herrschen sich gewohnheitsgemäß an. Ich kenne die Modulation der Stimmen. Sie macht ihm schrille Vorwürfe. Er kontert mit einer seit 50 Jahren unveränderten komplizierten Satzmelodie. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die Worte durch die ebenfalls dünne Decke hindurch deuten konnte: "Ach komm, hör doch auf, hör doch auf, hör doch auf. Halt die Fresse, ach komm, halt doch Deine Fresse, du blöde Sau!". Unverständliches schrilles Keifen ihrerseits. Seine Erwiderung variiert nicht, sein Text beschränkt sich auf das Wesentliche und er sieht keine Veranlassung, die bewährten Sätze zu überarbeiten. Das Schauspiel dauert von 7.30 Uhr bis 0.30 Uhr, auch am Wochende. Wie jetzt. Um ihre Sprecheinsätze in diesem absurden Theater, das seit 1956 aufgeführt wird, nicht zu gefährden, verlassen die beiden Alten ihre Wohnung nicht mehr. Wie praktisch. Nun gut, eine weitere verlässliche Größe in meinem Leben. Wieder lautes Schlüsselgefummel hinter mir. Schnaufen. Schauen. Irgendjemand hat irgendwo geklingelt. Ein Schritt auf den Treppenabsatz. Lauteres Schnaufen. Warten. Wieder zurück zur Tür. Richtig – Gefummel an den Schlössern. Quietschen. Tür wieder zu. Garderobengezirpe hinter meiner Wand. Die Hauswirtin steigt prustend die Treppen hoch. Ruft etwas Unverständliches. Der Adressat diese Rufes ist nicht auszumachen. Meine Nachbarin nimmt dies zum Anlass, die Tür wieder zu entriegeln. Kurze Begrüßung zwischen Hauswirtin und Nachbarin. Drei Sätze. Jaja, das Wetter. Verabschiedung. Tür wird wieder verschlossen. Gefummel. Und nochmal. Sicherheitsschloss. Ordnung muss sein. Klingeln, erst bei anderen Mietern, dann bei mir. Es wird geöffnet. "Die Poooost, danke. Die Poooost, danke!!!" Währenddessen ist die Lautstärke in der Wohnung unter mir größer geworden. Der Mann brüllt. Die Frau schreit. Noch eine Stunde und die beiden können Mittagspause machen. Das haben sie sich verdient.
20 Minuten für die ganze Aktion. Schlossgefummel zweites Schloss. Unter mir sind inzwischen die beiden Psychopathen aufgewacht und herrschen sich gewohnheitsgemäß an. Ich kenne die Modulation der Stimmen. Sie macht ihm schrille Vorwürfe. Er kontert mit einer seit 50 Jahren unveränderten komplizierten Satzmelodie. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die Worte durch die ebenfalls dünne Decke hindurch deuten konnte: "Ach komm, hör doch auf, hör doch auf, hör doch auf. Halt die Fresse, ach komm, halt doch Deine Fresse, du blöde Sau!". Unverständliches schrilles Keifen ihrerseits. Seine Erwiderung variiert nicht, sein Text beschränkt sich auf das Wesentliche und er sieht keine Veranlassung, die bewährten Sätze zu überarbeiten. Das Schauspiel dauert von 7.30 Uhr bis 0.30 Uhr, auch am Wochende. Wie jetzt. Um ihre Sprecheinsätze in diesem absurden Theater, das seit 1956 aufgeführt wird, nicht zu gefährden, verlassen die beiden Alten ihre Wohnung nicht mehr. Wie praktisch. Nun gut, eine weitere verlässliche Größe in meinem Leben. Wieder lautes Schlüsselgefummel hinter mir. Schnaufen. Schauen. Irgendjemand hat irgendwo geklingelt. Ein Schritt auf den Treppenabsatz. Lauteres Schnaufen. Warten. Wieder zurück zur Tür. Richtig – Gefummel an den Schlössern. Quietschen. Tür wieder zu. Garderobengezirpe hinter meiner Wand. Die Hauswirtin steigt prustend die Treppen hoch. Ruft etwas Unverständliches. Der Adressat diese Rufes ist nicht auszumachen. Meine Nachbarin nimmt dies zum Anlass, die Tür wieder zu entriegeln. Kurze Begrüßung zwischen Hauswirtin und Nachbarin. Drei Sätze. Jaja, das Wetter. Verabschiedung. Tür wird wieder verschlossen. Gefummel. Und nochmal. Sicherheitsschloss. Ordnung muss sein. Klingeln, erst bei anderen Mietern, dann bei mir. Es wird geöffnet. "Die Poooost, danke. Die Poooost, danke!!!" Währenddessen ist die Lautstärke in der Wohnung unter mir größer geworden. Der Mann brüllt. Die Frau schreit. Noch eine Stunde und die beiden können Mittagspause machen. Das haben sie sich verdient.
Waldorff, 19:39h
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