Montag, 28. November 2005
En passant
Das war ja überfällig. Bereits der Boxerpoet Arthur Cravan bewies zu Beginn des letzten Jahrhunderts, wie harmonisch sich Kampfsport und Literatur miteinander verbinden lassen. (Zu Herrn Cravan demnächst mehr!)
Nun aber diese amüsante Kombination:
Schachboxen. Die Idee könnte von Herrn Booldog oder mir stammen. Tut sie nicht. Uppercut und Nimzowitsch-Indisch. Mittelspiel mit Mundschutz. Gewinnen kann man die Partie/den Kampf am Brett oder im Ring, die Box- und Schachrunden wechseln sich ab. Das ist doch mal eine Sportart, auf die wir gewartet haben. Etwas für intelligente Einzelkämpfer. Oder Spinner.
Nun aber diese amüsante Kombination:
Schachboxen. Die Idee könnte von Herrn Booldog oder mir stammen. Tut sie nicht. Uppercut und Nimzowitsch-Indisch. Mittelspiel mit Mundschutz. Gewinnen kann man die Partie/den Kampf am Brett oder im Ring, die Box- und Schachrunden wechseln sich ab. Das ist doch mal eine Sportart, auf die wir gewartet haben. Etwas für intelligente Einzelkämpfer. Oder Spinner.
Waldorff, 11:53h
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Freitag, 11. November 2005
Sitzen bleiben, Alter!
Ich sitze in der U-Bahn. Es ist Sonntag. Schräg gegenüber sehe ich ein älteres Ehepaar. Agile Wandersleute, mitte sechzig, mit den obligatorischen karierten Hemden, modernen Wanderdoppelstöcken, Trekkingschuhen und schweren Rucksäcken. Gut ausgerüstet. Der Mann hat welliges graues Haar, seine Frau eine Dauerwelle und eine Brille. Offenbar sind die beiden auf dem Weg zum Bahnhof, um mit einem Regionalzug in die wunderschöne Umgebung meiner beschaulichen Heimatstadt zu fahren. Eine Station vor dem Bahnhof springt der Mann auf wie ein geölter Blitz. Bevor er sich jedoch um die Sitzbank drehen kann, schließt sich eine Hand wie ein Schraubstock um seinen Arm. "Sitzen bleiben, Alter!", ruft seine Frau. Sehr bestimmt und bestimmend. Sie zieht ihn zurück. Er setzt sich wieder. Rot im Gesicht ist er geworden und blickt starr geradeaus. Seine Hände umklammern angespannt seine Knie. Was nun kommt, kennt er wohl schon. Er weiß, was er zu erwarten hat. Sagt keinen Ton. Es folgen Fragen, Vorwürfe, Belehrungen. Er reagiert nicht, läßt alles über sich ergehen. Ich nicke ihm komplizenhaft zu. Dann steige ich auch aus.
Waldorff, 20:24h
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Samstag, 15. Oktober 2005
Neapel sehen und sterben
Ein laut knatternder und asthmatisch hupender Motorroller, der mich in einer kühlen, dunklen und engen Gasse um Millimeter verfehlt. Am Lenker eine Oma mit ihren drei Enkeln, dem Wocheneinkauf und einem großen Fernseher.
Modernde Gemüsekisten. Fisch in allen Stadien der Verwesung. Bröckelnder Putz. Heiligenbilder.
Die marode Einkaufspassage der letzten Jahrhundertwende. Kellerwohnungen, in denen Großfamilien hausen. Flinke Straßenhändler, Afrikaner mit original Cartier-Uhren, aufgeschnallt auf ein patentiertes Brett, der mobile Verkaufsstand ist innerhalb von drei Sekunden zu einem harmlosen Tapeziertisch zusammenklappt, wenn die städtische Polizei träge und unendlich gelangweilt ihre Kontrollgänge unternimmt. Neapel. Morbide Schönheit. Lärm. Verkehrschaos. Dicke Kinder.
Cannelloni und Camorra.
Vom Hafen die Fahrt nach Sorrent durch den Golf, linkerhand der Vesuv und Pompeji. Postkartenblick, auf geradezu lächerliche Weise schön.
Hier hat sich Tom Ripley herumgetrieben, wenn man Patricia Highsmith Glauben schenken darf. Tatsächlich ist Englisch die vorherrschende Sprache in Sorrent.
Das Feuerwerk aus unbekanntem Anlaß, aus dem viel zu teuren Hotel mit dem unvergleichlichen Leuchtturmblick (der Vesuv und Pompeji rechterhand) beobachtet. Unwirkliche bunte Kaskaden am Himmel und Spiegelungen in der See, die hallenden Geräusche über dem Wasser der nächtlichen Bucht verstärkt. Der intensive Duft der Zitronenhaine, der leichtfüßige Rausch des aphrodisierenden Limoncello.
Modernde Gemüsekisten. Fisch in allen Stadien der Verwesung. Bröckelnder Putz. Heiligenbilder.
Die marode Einkaufspassage der letzten Jahrhundertwende. Kellerwohnungen, in denen Großfamilien hausen. Flinke Straßenhändler, Afrikaner mit original Cartier-Uhren, aufgeschnallt auf ein patentiertes Brett, der mobile Verkaufsstand ist innerhalb von drei Sekunden zu einem harmlosen Tapeziertisch zusammenklappt, wenn die städtische Polizei träge und unendlich gelangweilt ihre Kontrollgänge unternimmt. Neapel. Morbide Schönheit. Lärm. Verkehrschaos. Dicke Kinder.
Cannelloni und Camorra.
Vom Hafen die Fahrt nach Sorrent durch den Golf, linkerhand der Vesuv und Pompeji. Postkartenblick, auf geradezu lächerliche Weise schön.
Hier hat sich Tom Ripley herumgetrieben, wenn man Patricia Highsmith Glauben schenken darf. Tatsächlich ist Englisch die vorherrschende Sprache in Sorrent.
Das Feuerwerk aus unbekanntem Anlaß, aus dem viel zu teuren Hotel mit dem unvergleichlichen Leuchtturmblick (der Vesuv und Pompeji rechterhand) beobachtet. Unwirkliche bunte Kaskaden am Himmel und Spiegelungen in der See, die hallenden Geräusche über dem Wasser der nächtlichen Bucht verstärkt. Der intensive Duft der Zitronenhaine, der leichtfüßige Rausch des aphrodisierenden Limoncello.
Waldorff, 01:35h
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Chinesen
Chinesen. Kennt man ja. Arbeitsame Menschen, sehr diszipliniert, stets ein freundliches, süß-saures Lächeln auf den Lippen.
Altes Kulturvolk. Und wie!
In keiner Quizshow liegt man vermutlich daneben, wenn man auf die Frage nach der Urheberschaft bahnbrechender, weltbewegender oder sonstiger epochaler Erfindungen zunächst mal im Brustton der Überzeugung antwortet: Die Chinesen waren es. Mir fiel vor einiger Zeit ein Taschenbuch wieder in die Hand, in dem ich als Kind gerne las: ”Erstaunliche Rekorde der alten Chinesen.” Porzellan, Schießpulver, Buchdruck, Kompaß. Terrakotta-Armee. Sehr beeindruckend.
Hu. Die hatten es wirklich los, die alten Chinesen. Sogar Amerika wurde angeblich von ihnen entdeckt. Aber offensichtlich beschlossen sie, keinen Gebrauch von ihrer Entdeckung zu machen und segelten leise pfeifend wieder davon.
Ungemein weise eben. Ex oriente lux und überhaupt. Aber jetzt übertreibt ihr wirklich, Leute: Dass Marco Polo auf seiner Reise die Nudeln kennenlernte, ist ja hinreichend bekannt (was keineswegs heisst, dass es stimmt).
Und nun beschämt das alte Kulturvolk den langnasigen Westen endgültig.
Bereits seit mindestens 4000 Jahren werden in China Spaghetti geschlürft. Sagt ein Chinese.
"Wir können davon ausgehen, dass Bauern in China schon vor 4000 Jahren Hirse gemahlen haben, aus dem Mehl Teig herstellten, ihn in Handarbeit zu Strängen auseinanderzogen und diese kochten, um Nudeln daraus zu machen", erklärt Houyuan Lu, der die jungsteinzeitliche Pasta ausgegraben hat.
Angeber.
Altes Kulturvolk. Und wie!
In keiner Quizshow liegt man vermutlich daneben, wenn man auf die Frage nach der Urheberschaft bahnbrechender, weltbewegender oder sonstiger epochaler Erfindungen zunächst mal im Brustton der Überzeugung antwortet: Die Chinesen waren es. Mir fiel vor einiger Zeit ein Taschenbuch wieder in die Hand, in dem ich als Kind gerne las: ”Erstaunliche Rekorde der alten Chinesen.” Porzellan, Schießpulver, Buchdruck, Kompaß. Terrakotta-Armee. Sehr beeindruckend.
Hu. Die hatten es wirklich los, die alten Chinesen. Sogar Amerika wurde angeblich von ihnen entdeckt. Aber offensichtlich beschlossen sie, keinen Gebrauch von ihrer Entdeckung zu machen und segelten leise pfeifend wieder davon.
Ungemein weise eben. Ex oriente lux und überhaupt. Aber jetzt übertreibt ihr wirklich, Leute: Dass Marco Polo auf seiner Reise die Nudeln kennenlernte, ist ja hinreichend bekannt (was keineswegs heisst, dass es stimmt).
Und nun beschämt das alte Kulturvolk den langnasigen Westen endgültig.
Bereits seit mindestens 4000 Jahren werden in China Spaghetti geschlürft. Sagt ein Chinese.
"Wir können davon ausgehen, dass Bauern in China schon vor 4000 Jahren Hirse gemahlen haben, aus dem Mehl Teig herstellten, ihn in Handarbeit zu Strängen auseinanderzogen und diese kochten, um Nudeln daraus zu machen", erklärt Houyuan Lu, der die jungsteinzeitliche Pasta ausgegraben hat.
Angeber.
Waldorff, 00:00h
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Dienstag, 4. Oktober 2005
Rammelkammer
Ich gehe gerne spazieren.
Doch wenn ich mit Naturfreunden oder Outdoorfanatikern unterwegs bin, die immer bestens vorbereitet sind, Fährten lesen können, den Himmel deuten oder an Farbe, Geruch und Geschmack der Losung von Wildtieren deren Alter und Geschlecht zu bestimmen in der Lage sind, komme ich mir vor wie der beklagenswerte James Stewart in "Mr. Hobbs macht Ferien".
Das soll alles anders werden.
Deswegen habe ich mir den "Neuen BLV Naturführer für unterwegs" besorgt. Neben übersichtlich nach Farben geordneten Übersichtsteilen zur Bestimmung von Pflanzen, Reptilien, Vögeln und dergleichen fehlen auch die Seiten zu den interessanten Themen Kot und Freßspuren nicht.
Doch was ist das? Das für den Borkenkäfer charakteristische Gängesystem im Holz gruppiert sich um "Rammelkammern"!
Ich kann das nicht glauben und schlage in der Wikipedia nach.
Kein Zweifel:
Die Rammelkammer ist der zentrale Teil des Brutsystems von Borkenkäfern. Angelegt werden sie von den Männchen, die dann die Weibchen dorthin locken und begatten. Ausgehend von der Rammelkammer erzeugen daraufhin die Weibchen die Muttergänge.
Borkenkäfer sind polygam und richten für jedes Weibchen eine eigene Rammelkammer ein.
Quelle:
Rammelkammer
Weibchen, die durch dunkle Gänge gelockt werden, um in engen Rammelkammern von brünstigen Borkenkäferböcken genommen zu werden. Das sind düster-schwüle Sexphantasien.
Nö. Der farbenfrohe "Neue BLV Naturführer für unterwegs", von züchtig wandernden deutschen Akademikerfamilien auf der Suche nach dem reinigenden Naturerlebnis eingesteckt - er ist keine Lektüre für Kinder.
Das mußte mal gesagt werden.
Doch wenn ich mit Naturfreunden oder Outdoorfanatikern unterwegs bin, die immer bestens vorbereitet sind, Fährten lesen können, den Himmel deuten oder an Farbe, Geruch und Geschmack der Losung von Wildtieren deren Alter und Geschlecht zu bestimmen in der Lage sind, komme ich mir vor wie der beklagenswerte James Stewart in "Mr. Hobbs macht Ferien".
Das soll alles anders werden.
Deswegen habe ich mir den "Neuen BLV Naturführer für unterwegs" besorgt. Neben übersichtlich nach Farben geordneten Übersichtsteilen zur Bestimmung von Pflanzen, Reptilien, Vögeln und dergleichen fehlen auch die Seiten zu den interessanten Themen Kot und Freßspuren nicht.
Doch was ist das? Das für den Borkenkäfer charakteristische Gängesystem im Holz gruppiert sich um "Rammelkammern"!
Ich kann das nicht glauben und schlage in der Wikipedia nach.
Kein Zweifel:
Die Rammelkammer ist der zentrale Teil des Brutsystems von Borkenkäfern. Angelegt werden sie von den Männchen, die dann die Weibchen dorthin locken und begatten. Ausgehend von der Rammelkammer erzeugen daraufhin die Weibchen die Muttergänge.
Borkenkäfer sind polygam und richten für jedes Weibchen eine eigene Rammelkammer ein.
Quelle:
Rammelkammer
Weibchen, die durch dunkle Gänge gelockt werden, um in engen Rammelkammern von brünstigen Borkenkäferböcken genommen zu werden. Das sind düster-schwüle Sexphantasien.
Nö. Der farbenfrohe "Neue BLV Naturführer für unterwegs", von züchtig wandernden deutschen Akademikerfamilien auf der Suche nach dem reinigenden Naturerlebnis eingesteckt - er ist keine Lektüre für Kinder.
Das mußte mal gesagt werden.
Waldorff, 17:29h
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Freitag, 29. Juli 2005
Funky Eichhörnchen
Seit einiger Zeit besucht mich ein Eichhörnchen.
Einige Äste unseres Hinterhof-Baumes sind nur Zentimeter von meinem Balkon entfernt.
Auf einem dieser Äste tummelt sich ein Eichhörnchen.
Während ich meinen Kaffee trinke, beobachtet es mich.
Und ich beobachte das Eichhörnchen.
Ich finde diese Besuche sehr nett.
Vorgestern hat mich mein neuer Freund mit kräftigen Lauten überrascht, er sang "Tschuuk Tschuuk Tschuuk".
Aber leicht zeitversetzt, rhythmischer.
Eher so:
"Tschuuuk - ä -tschuuuck - ä - tschuucktschuuk"
Gar nicht übel.
Vielleicht trinke ich ja auch zu viel.
Einige Äste unseres Hinterhof-Baumes sind nur Zentimeter von meinem Balkon entfernt.
Auf einem dieser Äste tummelt sich ein Eichhörnchen.
Während ich meinen Kaffee trinke, beobachtet es mich.
Und ich beobachte das Eichhörnchen.
Ich finde diese Besuche sehr nett.
Vorgestern hat mich mein neuer Freund mit kräftigen Lauten überrascht, er sang "Tschuuk Tschuuk Tschuuk".
Aber leicht zeitversetzt, rhythmischer.
Eher so:
"Tschuuuk - ä -tschuuuck - ä - tschuucktschuuk"
Gar nicht übel.
Vielleicht trinke ich ja auch zu viel.
Waldorff, 01:32h
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Donnerstag, 28. Juli 2005
Komboloi
heißen diese rosenkranzähnlichen Perlenschnüre, mit denen der gelernte Grieche wirbelnd und schleudernd stetig Wind erzeugt.
Die Dinger sind mir letzthin wieder aufgefallen, als eine Gruppe von Griechen in der U-Bahn mit insgesamt vier dieser Spielzeuge munter vor sich hinklackte. Als die griechische Unterhaltung lauter und leidenschaftlicher wurde, nahm auch die Komboloi-Frequenz zu. Der fünfte, unbewaffnete Grieche griff ersatzweise zu seinem Schlüsselbund, um seine Solidarität mit dem allgemeinen Schwingen zu bekunden.
"Klack-klackerdiklack-klackklackklack!!!"
"Sirr!!" "Klack!-klackerdiklack" "Sirr!"
"KlaklaklaklaklaklaKLACK!!!" "Sirr!" "Sirr!"
Versteht mich nicht falsch. Das Klacken ist ein "authentischer" Ausdruck griechischer Kultur.
Eine liebenswert sinnfreie Tradition.
Aber nach sieben Stationen wurde ich denn doch etwas aggressiv.
Die Dinger sind mir letzthin wieder aufgefallen, als eine Gruppe von Griechen in der U-Bahn mit insgesamt vier dieser Spielzeuge munter vor sich hinklackte. Als die griechische Unterhaltung lauter und leidenschaftlicher wurde, nahm auch die Komboloi-Frequenz zu. Der fünfte, unbewaffnete Grieche griff ersatzweise zu seinem Schlüsselbund, um seine Solidarität mit dem allgemeinen Schwingen zu bekunden.
"Klack-klackerdiklack-klackklackklack!!!"
"Sirr!!" "Klack!-klackerdiklack" "Sirr!"
"KlaklaklaklaklaklaKLACK!!!" "Sirr!" "Sirr!"
Versteht mich nicht falsch. Das Klacken ist ein "authentischer" Ausdruck griechischer Kultur.
Eine liebenswert sinnfreie Tradition.
Aber nach sieben Stationen wurde ich denn doch etwas aggressiv.
Waldorff, 13:11h
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Montag, 4. Juli 2005
Exil
Er geht auf und ab. Den ganzen Tag.
Die Hände sind auf dem Rücken verschränkt.
Wie bei Napoleon auf St. Helena.
Er trägt eine karierte Jacke, dazu eine speckige schwarze Hose.
Sommers wie winters.
Sein Lächeln ist abwesend.
Seine riesige Brille verdeckt das Gorbatschow-Mutermal auf der Stirn zur Hälfte.
Strebt er die Weltherrschaft an, denkt er an gar nichts?
In welchem Exil befindet er sich?
Die Hände sind auf dem Rücken verschränkt.
Wie bei Napoleon auf St. Helena.
Er trägt eine karierte Jacke, dazu eine speckige schwarze Hose.
Sommers wie winters.
Sein Lächeln ist abwesend.
Seine riesige Brille verdeckt das Gorbatschow-Mutermal auf der Stirn zur Hälfte.
Strebt er die Weltherrschaft an, denkt er an gar nichts?
In welchem Exil befindet er sich?
Waldorff, 19:29h
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Mittwoch, 15. Juni 2005
Dresden
Ich habe einmal für kurze Zeit in Dresden gewohnt.
Ich kenne die Stadt nicht besonders gut. Dennoch habe ich einen besonderen Bezug zu ihr. Mein Vater ist dort geboren und aufgewachsen. Wenn ich in Dresden in der Straßenbahn saß, fielen mir Straßennamen auf, die mein Vater in seinen Geschichten aus seiner Kindheit und Jugend genannt hatte.
Er erzählte mir von meinem Opa, den Bildhauer und Kunsttischler. Vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise hatte er acht Angestellte. Er schien bekannt und geschätzt zu sein und gestaltete einen Gedenkstein oder ein Mahnmal.
Zu welchem Anlaß das war oder ob das Werk den Krieg überstanden hat, weiß ich nicht.
Doch die Zeit nach dem ersten Weltkrieg meinte es nicht gut mit meinem Großvater. Die von ihm gefertigten Möbel mit ihren Zierleisten und Schnitzereien verkauften sich kaum. Die Menschen hatten kein Geld.
Dazu kam noch, daß es die 20er Jahre glatt und
ohne Schnörkel mochten. Mein Vater erzählte mir von der Leidenschaft meines Großvaters für Musik. Bei ihnen zuhause stand ein Klavier. Und wenn mein Großvater in Laune war, spielte er auf dem Klavier und sang dazu.
Ich weiß wenig mehr als dies über ihn.
Es existiert nur eine Fotografie von Opa, aufgenommen wenige Stunden vor seinem Tod in einem Dresdner Krankenhaus Ende der 20er Jahre. Das Bild ist klein, völlig zerknittert und etwas verschwommen. Ein Mensch mit wirrem Haar stützt sich auf und blickt in die Kamera. Manchmal glaube ich etwas erschreckt, irgendeine Familienähnlichkeit feststellen zu können, über die zeitliche Distanz von achtzig Jahren hinweg. Woran ist er gestorben, mit noch nicht einmal 50 Jahren? Eine Lungenkrankheit, glaube ich. Tuberkolose? Da war mein Vater gerade sieben Jahre alt.
Während ich durch Dresden fahre, fallen mir bruchstückhaft andere Geschichten ein, die mir mein Vater erzählt hat. Seine frühesten Erinnerungen stammen aus den 20er Jahren: Die ersten Autos, die in der Stadt fuhren, die großen Lichter und Kühler, mein Vater hielt sie für Tiere. Oder die Geschichte von den vorlauten Jungs in Knickerbockern aus seiner Straße, die jedem Fahrradfahrer zuriefen, er habe vergessen, seine Kette aufzupumpen. Das mag ein paar Jahre später gewesen sein.
Ich erinnere mich an die Episode mit den Nähnadeln, die mein Vater und seine Geschwister statt der versteckt gehaltenen Grammophonnadeln benutzten, um in der Abwesenheit der Mutter heimlich Musik zu hören. Das funktionierte, aber den Schellackplatten tat es nicht gut.
Dann gab's Ärger. Den gab es auch, wenn die Jungen sich nach dem Essen das Fett aus dem Topf auf ihre neuen kurzen Lederhosen rieben.
Aber: Nur speckig glänzende Hosen waren anerkannt, offensichtlich neue Hosen dagegen verpönt.
Eine weitere Fotografie: Meine Oma Ida, eine starke kleine Frau, die in der Mode der Endzwanziger vor antiken Versatzstücken (einer Säule, glaube ich) posiert und gefaßt, sogar ein wenig lächelnd zum Fotografen blickt. Sie hatte es nicht leicht mit ihren vielen Kindern und ohne ihren Mann. Sie ist in den 50er Jahren gestorben. Viel zu früh für mich. Ich konnte sie nicht mehr kennenlernen.
Dann kam der Stiefvater. Er hat meine Oma geheiratet und mit ihr eine Großfamilie. Oft war er überfordert mit der Kinderschar. Arbeitsloser Akademiker. Noch ein Foto: Der Stiefvater meines Vaters mit Degen und einer Korpsuniform als Student der TU Dresden. Er ist im Krieg in Polen gestorben.
Ein paar Jahre später. Es ist 1933. Mein Vater ist zwölf Jahre alt. Ein Lehrer stellt einen Plattenspieler auf. Behutsam nimmt er eine Platte aus ihrer Hülle. Er legt sie auf. Richard Tauber singt. Eine wunderschöne Stimme. "Hört gut zu. Hört euch das gut an. Das werdet ihr lange nicht mehr hören.", raunt der Lehrer. Mein Vater hat den Zusammenhang erst viel später verstanden. Von der Musik war er damals beeindruckt. Vielleicht hat sogar diese kurze Vorführung seine lebenslangen Leidenschaft für die Oper geweckt.
Erinnerungen, die nicht meine sind, aber durch die Erzählungen meines Vaters auch zu meinem Leben gehören.
Ich sitze in der Straßenbahn. Endhaltestelle.
Ich kenne die Stadt nicht besonders gut. Dennoch habe ich einen besonderen Bezug zu ihr. Mein Vater ist dort geboren und aufgewachsen. Wenn ich in Dresden in der Straßenbahn saß, fielen mir Straßennamen auf, die mein Vater in seinen Geschichten aus seiner Kindheit und Jugend genannt hatte.
Er erzählte mir von meinem Opa, den Bildhauer und Kunsttischler. Vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise hatte er acht Angestellte. Er schien bekannt und geschätzt zu sein und gestaltete einen Gedenkstein oder ein Mahnmal.
Zu welchem Anlaß das war oder ob das Werk den Krieg überstanden hat, weiß ich nicht.
Doch die Zeit nach dem ersten Weltkrieg meinte es nicht gut mit meinem Großvater. Die von ihm gefertigten Möbel mit ihren Zierleisten und Schnitzereien verkauften sich kaum. Die Menschen hatten kein Geld.
Dazu kam noch, daß es die 20er Jahre glatt und
ohne Schnörkel mochten. Mein Vater erzählte mir von der Leidenschaft meines Großvaters für Musik. Bei ihnen zuhause stand ein Klavier. Und wenn mein Großvater in Laune war, spielte er auf dem Klavier und sang dazu.
Ich weiß wenig mehr als dies über ihn.
Es existiert nur eine Fotografie von Opa, aufgenommen wenige Stunden vor seinem Tod in einem Dresdner Krankenhaus Ende der 20er Jahre. Das Bild ist klein, völlig zerknittert und etwas verschwommen. Ein Mensch mit wirrem Haar stützt sich auf und blickt in die Kamera. Manchmal glaube ich etwas erschreckt, irgendeine Familienähnlichkeit feststellen zu können, über die zeitliche Distanz von achtzig Jahren hinweg. Woran ist er gestorben, mit noch nicht einmal 50 Jahren? Eine Lungenkrankheit, glaube ich. Tuberkolose? Da war mein Vater gerade sieben Jahre alt.
Während ich durch Dresden fahre, fallen mir bruchstückhaft andere Geschichten ein, die mir mein Vater erzählt hat. Seine frühesten Erinnerungen stammen aus den 20er Jahren: Die ersten Autos, die in der Stadt fuhren, die großen Lichter und Kühler, mein Vater hielt sie für Tiere. Oder die Geschichte von den vorlauten Jungs in Knickerbockern aus seiner Straße, die jedem Fahrradfahrer zuriefen, er habe vergessen, seine Kette aufzupumpen. Das mag ein paar Jahre später gewesen sein.
Ich erinnere mich an die Episode mit den Nähnadeln, die mein Vater und seine Geschwister statt der versteckt gehaltenen Grammophonnadeln benutzten, um in der Abwesenheit der Mutter heimlich Musik zu hören. Das funktionierte, aber den Schellackplatten tat es nicht gut.
Dann gab's Ärger. Den gab es auch, wenn die Jungen sich nach dem Essen das Fett aus dem Topf auf ihre neuen kurzen Lederhosen rieben.
Aber: Nur speckig glänzende Hosen waren anerkannt, offensichtlich neue Hosen dagegen verpönt.
Eine weitere Fotografie: Meine Oma Ida, eine starke kleine Frau, die in der Mode der Endzwanziger vor antiken Versatzstücken (einer Säule, glaube ich) posiert und gefaßt, sogar ein wenig lächelnd zum Fotografen blickt. Sie hatte es nicht leicht mit ihren vielen Kindern und ohne ihren Mann. Sie ist in den 50er Jahren gestorben. Viel zu früh für mich. Ich konnte sie nicht mehr kennenlernen.
Dann kam der Stiefvater. Er hat meine Oma geheiratet und mit ihr eine Großfamilie. Oft war er überfordert mit der Kinderschar. Arbeitsloser Akademiker. Noch ein Foto: Der Stiefvater meines Vaters mit Degen und einer Korpsuniform als Student der TU Dresden. Er ist im Krieg in Polen gestorben.
Ein paar Jahre später. Es ist 1933. Mein Vater ist zwölf Jahre alt. Ein Lehrer stellt einen Plattenspieler auf. Behutsam nimmt er eine Platte aus ihrer Hülle. Er legt sie auf. Richard Tauber singt. Eine wunderschöne Stimme. "Hört gut zu. Hört euch das gut an. Das werdet ihr lange nicht mehr hören.", raunt der Lehrer. Mein Vater hat den Zusammenhang erst viel später verstanden. Von der Musik war er damals beeindruckt. Vielleicht hat sogar diese kurze Vorführung seine lebenslangen Leidenschaft für die Oper geweckt.
Erinnerungen, die nicht meine sind, aber durch die Erzählungen meines Vaters auch zu meinem Leben gehören.
Ich sitze in der Straßenbahn. Endhaltestelle.
Waldorff, 17:10h
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Dienstag, 14. Juni 2005
St. Johannis im Sommer
Ich bin zu beneiden. Ich wohne in einem besonderen Stadtteil. Nur wenige Meter von meiner preisgünstigen Wohnung entfernt befindet sich ein kulturhistorisch bedeutender Friedhof, auf dem viele der künstlerischen Größen meiner Heimatstadt ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Diejenigen aus der Glanzzeit dieser
Stadt. Nun gut, diese Zeit liegt ein halbes Jahrtausend zurück. Jetzt sind wir nur noch Provinz. Aber auch hier läßt es sich leben. Und das nicht mal schlecht.
Zugegeben, im Winter ist es zuweilen ein wenig trist und grau.
Schmutzigschwarzer Schnee liegt auf den Straßen. Mißmutige Menschen stapfen umher. Die Zeichen des wirtschaftlichen Niedergangs sind deutlicher zu sehen als zu anderen Jahreszeiten. Viele Ladengeschäfte bleiben leer. Die Kneipe um die Ecke hat in den letzten fünf Jahren mehrmals den Pächter gewechselt. Das Publikum bleibt das gleiche. Genau wie die üble Musik, die auf die Straße dringt. Der Name wechselt, immer jedoch ist ein Apostroph im Spiel, was mich stets aufs Neue ärgert.
Seit einiger Zeit gibt einen türkischen Markt mit einem beeindruckenden Angebot an Gemüse, Obst, Schafskäse und Gewürzen. Das ist praktisch.
Das beste in meinem Viertel ist jedoch eindeutig der Sommer, den es fast jedes Jahr bei uns gibt. Der Sommer in St. Johannis. Jenseits der Johannisstraße liegt der Pegnitzgrund. Der kleine Fluß, an dem die Stadt liegt, schlängelt sich in Richtung Nachbarstadt und an beiden Seiten erstreckt sich das Grün. Sobald es warm wird, bevölkert sich der Grund mit den unterschiedlichsten Menschen.
Liegefahrräder fahren den Weg entlang, man sieht einen Kopf mit Zopf, Helm und eine Brille mit Drahtgestell vorbeihuschen. Entweder ist diese Kopfzopfhelm-Kombination zwingend polizeilich vorgeschrieben oder ich sehe seit Jahren ein und denselben Menschen durch mein Viertel radeln. Gefertigt werden solche Fahrräder übrigens gleich um die Ecke. Dort schweißt und schraubt man auch Rikschas zusammen. Mit Zeltdach drüber.
Es gibt die dauerbekifften Bongospieler, die mit glücklichem, wenngleich leicht debilem Grinsen tagelang vor sich hin trommeln, der mystischen Entrückung entgegegen. Trotz ihrer unverkennbar blonden Haare haben sie sich mit afrikanisch aussehenden Teppichen behängt.
Die immer etwas arroganten Boulespieler werfen ihre in der Sonne glitzernden Metallkugeln mit sonorem Klacken und kommentieren ihre Würfe wortreich. Die kackenden Hunde gehen allen auf die Nerven. Der Geruch nach Hammelfett, der von den grillenden türkischen Großfamilien herüberweht, koexistiert friedlich mit dem von fränkischen Bratwürsten. Feuerwehrsirenen sind zu hören, denn oft gibt es bei den Grillfreunden aller Nationen mehr Rauch als Feuer. Gurgelnde Schreie dringen aus dem defizitären städtischen Schwimmbad gleich nebenan. Ab und an kommt auch eine Lautsprecheransage von dort, die aber alle ignorieren.
Die nordicwalkenden Menschen mit ihren energischen, kantigen Bewegungen und dem stoßweißen Pusten beherrschen erst seit letztem Jahr die Szene, gerne pausieren sie ein paar Minuten, um den Boulespielern zuzusehen.
Rollschuhfahrer surren schwungvoll vorbei und sind schon wieder am Horizont verschwunden, während russische Jungen mit schwarzen Schiebermützen schwerfällig gehen, in ihrer Hand die Brausewodkamischung in der praktischen 1,5 Liter PET-Flasche. Später werden sie sich in die Büsche am Wegesrand schlagen. Ist die Sonne untergangen, singen sie dort gefühlvolle, melancholische russische Lieder.
Jogger sehen indes nervös auf ihren Pulsmesser, Radfahrer weichen allen anderen aus, erstaunlich junge Mütter schieben Kinderwägen oder lassen sie schieben. Manchmal hört man leises Fluchen. Dennoch bleiben die Menschen gelassen. Stilvolle Flaneure jeder Stilrichtung Art vergessen die Tageszeit, andere hängen einfach nur so rum.
Nette Mädchen ziehen ihre leichten bunten Sommerkleider aus, um sich in Badeanzug oder Bikini auf ihr Handtuch zu legen und in einem dicken Buch zu lesen. Andere Mädchen lesen nicht, führen aber gerne vor, wie sie auf ihren neuen Sandalen trotz höchster Absätze sicher balancieren können. Sie genießen lächelnd die Aufmerksamkeit des männlichen Publikums. Wenn sie mit ihrer Strecke fertig sind, gehen sie einfach wieder zurück.
Ein Aikidomeister mit einem Holzprügel und drei Jüngern hat seinen würdevollen Auftritt. Alle tragen Stirnbänder und vollführen langsame Bewegungen. Ab und an schreit der Meister was. Ist wohl japanisch. Mehr oder weniger. Die anderen verbeugen sich. Dann geht es weiter.
Eine friedliche Szenerie. Selbst die bulligen Mopedlesben lächeln.
Stadt. Nun gut, diese Zeit liegt ein halbes Jahrtausend zurück. Jetzt sind wir nur noch Provinz. Aber auch hier läßt es sich leben. Und das nicht mal schlecht.
Zugegeben, im Winter ist es zuweilen ein wenig trist und grau.
Schmutzigschwarzer Schnee liegt auf den Straßen. Mißmutige Menschen stapfen umher. Die Zeichen des wirtschaftlichen Niedergangs sind deutlicher zu sehen als zu anderen Jahreszeiten. Viele Ladengeschäfte bleiben leer. Die Kneipe um die Ecke hat in den letzten fünf Jahren mehrmals den Pächter gewechselt. Das Publikum bleibt das gleiche. Genau wie die üble Musik, die auf die Straße dringt. Der Name wechselt, immer jedoch ist ein Apostroph im Spiel, was mich stets aufs Neue ärgert.
Seit einiger Zeit gibt einen türkischen Markt mit einem beeindruckenden Angebot an Gemüse, Obst, Schafskäse und Gewürzen. Das ist praktisch.
Das beste in meinem Viertel ist jedoch eindeutig der Sommer, den es fast jedes Jahr bei uns gibt. Der Sommer in St. Johannis. Jenseits der Johannisstraße liegt der Pegnitzgrund. Der kleine Fluß, an dem die Stadt liegt, schlängelt sich in Richtung Nachbarstadt und an beiden Seiten erstreckt sich das Grün. Sobald es warm wird, bevölkert sich der Grund mit den unterschiedlichsten Menschen.
Liegefahrräder fahren den Weg entlang, man sieht einen Kopf mit Zopf, Helm und eine Brille mit Drahtgestell vorbeihuschen. Entweder ist diese Kopfzopfhelm-Kombination zwingend polizeilich vorgeschrieben oder ich sehe seit Jahren ein und denselben Menschen durch mein Viertel radeln. Gefertigt werden solche Fahrräder übrigens gleich um die Ecke. Dort schweißt und schraubt man auch Rikschas zusammen. Mit Zeltdach drüber.
Es gibt die dauerbekifften Bongospieler, die mit glücklichem, wenngleich leicht debilem Grinsen tagelang vor sich hin trommeln, der mystischen Entrückung entgegegen. Trotz ihrer unverkennbar blonden Haare haben sie sich mit afrikanisch aussehenden Teppichen behängt.
Die immer etwas arroganten Boulespieler werfen ihre in der Sonne glitzernden Metallkugeln mit sonorem Klacken und kommentieren ihre Würfe wortreich. Die kackenden Hunde gehen allen auf die Nerven. Der Geruch nach Hammelfett, der von den grillenden türkischen Großfamilien herüberweht, koexistiert friedlich mit dem von fränkischen Bratwürsten. Feuerwehrsirenen sind zu hören, denn oft gibt es bei den Grillfreunden aller Nationen mehr Rauch als Feuer. Gurgelnde Schreie dringen aus dem defizitären städtischen Schwimmbad gleich nebenan. Ab und an kommt auch eine Lautsprecheransage von dort, die aber alle ignorieren.
Die nordicwalkenden Menschen mit ihren energischen, kantigen Bewegungen und dem stoßweißen Pusten beherrschen erst seit letztem Jahr die Szene, gerne pausieren sie ein paar Minuten, um den Boulespielern zuzusehen.
Rollschuhfahrer surren schwungvoll vorbei und sind schon wieder am Horizont verschwunden, während russische Jungen mit schwarzen Schiebermützen schwerfällig gehen, in ihrer Hand die Brausewodkamischung in der praktischen 1,5 Liter PET-Flasche. Später werden sie sich in die Büsche am Wegesrand schlagen. Ist die Sonne untergangen, singen sie dort gefühlvolle, melancholische russische Lieder.
Jogger sehen indes nervös auf ihren Pulsmesser, Radfahrer weichen allen anderen aus, erstaunlich junge Mütter schieben Kinderwägen oder lassen sie schieben. Manchmal hört man leises Fluchen. Dennoch bleiben die Menschen gelassen. Stilvolle Flaneure jeder Stilrichtung Art vergessen die Tageszeit, andere hängen einfach nur so rum.
Nette Mädchen ziehen ihre leichten bunten Sommerkleider aus, um sich in Badeanzug oder Bikini auf ihr Handtuch zu legen und in einem dicken Buch zu lesen. Andere Mädchen lesen nicht, führen aber gerne vor, wie sie auf ihren neuen Sandalen trotz höchster Absätze sicher balancieren können. Sie genießen lächelnd die Aufmerksamkeit des männlichen Publikums. Wenn sie mit ihrer Strecke fertig sind, gehen sie einfach wieder zurück.
Ein Aikidomeister mit einem Holzprügel und drei Jüngern hat seinen würdevollen Auftritt. Alle tragen Stirnbänder und vollführen langsame Bewegungen. Ab und an schreit der Meister was. Ist wohl japanisch. Mehr oder weniger. Die anderen verbeugen sich. Dann geht es weiter.
Eine friedliche Szenerie. Selbst die bulligen Mopedlesben lächeln.
Waldorff, 13:30h
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